Maratona dles Dolomites – ein Hommage:
Es ist gar nicht so leicht, einen Bericht zu schreiben, der diesem Rennen gerecht würde. Es ist größer, es ist schöner, es ist bewegender. Fast 40.000 bewerben sich, 9.000 dürfen dann am Start stehen, die Hubschrauber der RAI fliegen über die Köpfe der Teilnehmer und übertragen das Rennen live im Fernsehen. Die Dolomiten stehen majestätisch im Sonnenaufgang und bieten eine Kulisse, die unvergleichlich ist. Die Labestationen bieten kulinarische Vielfalt, die Organisation ist ganz generell trotz der Größe bis ins kleinste Detail liebevoll und auf Nachhaltigkeit bedacht. Das Startersackerl ist auf Stoff, Trikot und Weste von Castelli (ok, das ist nicht nachhaltig, dafür aber geil), das Expo-Dorf aus Bäumen, die letzten Winter dem Schnee zum Opfer gefallen sind. Es sind die Details, die es so besonders machen.
Es ist nicht der härteste Marathon, nicht der längste, nicht der extremste – aber der beste. Ja, das ist subjektiv, aber alleine stehe ich mit dieser Meinung bei Weitem nicht da. Sportlich fordernd ist er auf jeden Fall, es kann auf der Strecke aus drei Varianten gewählt werden. Nachdem ich vor 5 Jahren völlig blauäugig bei meinem ersten Marathon mit Bergen die mittlere Strecke (106 km, 3000 hm) gerade so am letzten Zacken überlebt habe, war es nach viermaligem Los-Pech Zeit, die große Runde in Angriff zu nehmen. Das waren dann 138 km mit 4200 hm.
Der Start erfolgt um 6 Uhr 30 und aufgrund der Massen war ich auch nur schwache 26 Minuten später über die Startlinie. Langsam kommt die Sonne zwischen den Dolomiten hervor und das Frieren hat ein Ende. Sogar recht schnell, denn eines zeichnet dieses Rennen aus: Hier geht es bergauf, oder bergab. Gerade ist hier kein Meter, darum sind 138 km auch nicht kurz.
Die Sella Runde (die ersten 55 km und gleichzeitig die kurze Strecke) bin ich recht konservativ gefahren, weil erstens 4000 hm für mich Neuland waren und zweitens ab Mittag teils schwere Gewitter angesagt waren. Somit war der Anfang auch ein wenig dem Genuss vorbehalten.
Aus dem heurigen Glocknerkönig habe ich (wieder) gelernt, dass ich zwar kein besonderer Bergfahrer bin, aber zumindest auch kein ganzer Depp und darum habe ich meine Lehren gezogen und auf das Pacing achtgegeben. Gleich vorweg, das hat echt gut funktioniert, für die geneigten Training-Nerds unter euch: Mein Pwr:Hr decoupling war -5%. Klar, ist auch Länge und Höhe geschuldet, aber passt generell.
Nach einigen herrlichen Verpflegungen (nebst dem üblichen Zeug auch zB Suppen oder Prosciutto und Käse aus der Region) und 76 gefahrenen km kam dann also der für mich magische Moment: Die Abzweigung zwischen mittlerer und großer Runde. Ein Engländer neben mir hat es so treffend seinem Kollegen zugerufen „the heart says right (lang), the legs say left (mittel)“. Für mich war klar, dass die lange Strecke fallen muss, aber halt nicht bei Unwettern und so habe ich mir eine Minute gegönnt und die lokalen Wetterberichte am Handy befragt. Die waren minimal erbaulicher als in der Früh und somit war klar, dass heute persönliche Geschichte geschrieben wird. Also rein in den Passo Giau, der mit 10km und schwachen 1000 hm einfach mal ein kleiner Glockner mittendrin ist. Nach einer Viertelstunde hat es dann auch zu regnen begonnen und das Donnern aus dem Nachbartal hat die Stimmung zusätzlich etwas gedrückt. Somit habe ich tief in die Trickkiste gegriffen und das einzig Wirksame gegen Regen gemacht, was einem Radfahrer möglich ist: Stehenbleiben, Regenjacke anziehen. Und wie sich das gehört, war der Regen auch keine 5 Minuten später wieder vorbei J
Auf der Passhöhe war die Erleichterung dann sehr groß, weil der schlimmste Teil erledigt war und – noch wichtiger – der Wind die Straße aufgetrocknet hatte.
Am letzten Pass war ich dann eher in meinem Element, mit 5,4% Steigung im Schnitt konnte ich auch mal ein anderes Ritzel als das ganz große abnudeln und in den flacheren Teilen sogar eine kleine Fangemeinde in meinem Windschatten versammeln. Die finale Passabfahrt ist bei dem Rennen immer ein Genuss, weil besonders breite Straße und ein ziemlich ausgedünntes Feld, was endlich mal zu korrekten Linien in den Kurven und somit mächtig viel Schwung geführt hat.
Nachdem ich mit guten 75 km/h ins Tal gerauscht und auf die letzten, flacheren 8 km ausgerollt bin, gab es auf einmal einen Wolkenbruch und die Welt ist untergegangen. Ich hab aber trotzdem vor Glück fast lachen müssen, weil die Anfahrt hinter mir gelegen ist und somit der Regen völlig wurscht war.
Fast jedenfalls, denn die Mür dl Giat ist die finale Gemeinheit des Rennens. Man ist von den Strapazen gezeichnet und dann kommt da noch eine 360 m Rampe mit 19% Steigung. Dank der Stimmung dort reißt man sich aber natürlich zusammen, hofft dass vor einem niemand hängen bleibt und wuchtet sich mit dem Bock irgendwie am Zahnfleisch nach oben. Kurzzeitig kommt einem da Laktat aus den Ohren, aber wenn der Schmerz nachlässt, folgen die letzten zwei Kilometer mit moderater Steigung ins Ziel. Weil ich schon ab dem Giau laufend meine ETA kalkuliert hatte, war immer mehr klar, dass die Sub-8 sich ausgehen, wenn da keine unvorhergesehenen Steigungen bzw. Gegenwind kommen. Somit war es nochmal Zeit, im strömenden Regen den Zeitfahrmodus zu aktivieren und voll anzurauchen. Das hat dann auch funktioniert und bei den ersten Sonnenstrahlen bin ich nach 7 Stunden und 52 Minuten über die Ziellinie gefahren.
Sportlich gesehen wäre wohl noch mehr drinnen gewesen, ich bin zu oft bei den Labestationen stehengeblieben, was meine 4 unbenutzten Gels in der Tasche bestätigten. Aber was solls, Sub-8 qualifiziert mich für den Startblock C, was ein riesiger Vorteil und eine schöne Belohnung ist – und viel wichtiger, ich konnte das Rennen so richtig genießen.
Als Abschluss der Aufruf an alle: zieht das für 2020 in eurer Planung in Betracht, es wäre echt genial, wenn wir eine kleine Gruppe stellen könnten!