Der Flèche
https://de.wikipedia.org/wiki/Brevet_(Fahrrad)
Die Wettervorhersagen vor einer Woche ließen noch auf perfektes Wetter für Sa/So hoffen, doch zwei Tage davor wurde genau das Gegenteil prognostiziert. Als Captain eines Teams mit drei Brevet-Novizen und aufgrund der vielen Absagen anderer Teams wegen Coronarestriktionen war ich ziemlich nervös und konnte die beiden Nächte davor kaum schlafen.
Der erste große Schauer hat Rene Weichselbaum erwischt, der in Wien mit dem Rad weggefahren ist. Zum Leid aller musste ich Handy und GPS-Radcomputer neu starten, bevor die geplante Strecke angezeigt wurde. Frierend und mehr oder minder durchnässt haben wir uns dann gemeinsam von Tulln nach Traun auf den Weg gemacht.
Bis zu den Bergen kämpften wir gemeinsam gegen starken Wind und das halbe Team vermutlich wegen Schlafmangel gegen Wadenkrämpfe. Das ist umso bitter gewesen, weil der erste Teil auf Radwegen und verkehrsarmen Straßen geplant war. Eine Unterhaltung zum Kennenlernen am Anfang der Fahrt war wegen dem starken Rauschen des Windes nicht möglich.
Am Kontrollpunkt in Furth (Km 35) hielten wir nur kurz, weil wir schon weit hinter der geplanten Zeit lagen. Dafür haben wir dann im Spar in Puchberg am Schneeberg (Km 116) zugeschlagen und eine halbe Stunde pausiert. Der starke Gegenwind vor allem im Flachen (26 km/h) und die nassen Straßen bei den Bergabpassagen haben uns viel Zeit gekostet.
Es war nicht sicher, ob wir am Semmering auf warmes Essen hoffen konnten oder ob wir erst nach Küchenschluss ankommen würden. Bei Kontrollpunkt Km 157 (gut 1h Pause) wollten wir gemeinsam mit den Rädern gemütlich in der warmen Stube essen, doch der Wirt, der nicht gerade eine radfahrertypische Figur gehabt hat, hat uns mit den Rädern erst einmal hinaus geworfen und gemeint, bei ihm würden keine Räder gestohlen. Dann wollte er uns in einem Anfall von Freundlichkeit das Bier hinaus zu den Räder bringen, was wir leicht durchnässt und frierend dankend abgelehnt haben. Wir mussten uns also von den Rädern trennen und haben uns in einem warmen, gemütlichen Eck der Gaststube zurückgezogen. Die alkoholfreien Elektrolyte waren dringend notwendig und die Portion war größer, als auf dem Foto zu sehen.
Aufgewärmt und fast trocken haben wir uns Richtung Adlitzgräben auf den Weg gemacht. Bei Manfred Mörtl und mir sind viele Erinnerungen und Emotionen an unsere RAN-Fahrten aufgekommen (die Streckenwahl von Ternitz nach Wieselburg wurde bewusst an den RAN-Streckenteil angelehnt ;-)) und so hatten wir beide die Möglichkeit, das Rennen Revue passieren zu lassen. Außerdem haben wir dieses Mal Zeit gehabt, die wunderschöne Gegend so richtig zu genießen 🙂
Trotz allem haben wir extremes Wetterglück gehabt. Außer uns war kaum jemand unterwegs und so haben wir die Szenerie in ruhiger, ‚entspannter‘ Atmosphäre genießen können. Auch beim nächsten Kontrollpunkt, der Kalten Kuchel (Km 205) trafen wir nur eine klitzekleines Grüppchen Motorradfahrer-Stammgäste. Eine Einkehr auf einen wunderbaren Topfenstrudel stand außer Diskussion, wollten wir doch vom Wastl am Wald (Km 252) noch vor der Dämmerung abfahren. Das war eine gute Entscheidung, denn am Weg dorthin durften wir ein Stück Gravelbiken 😀 Dabei haben wir unheimliches Glück gehabt, denn tags zuvor war die gesamte Straße gesperrt! Wie ihr am Foto mit Manfred und Manfred seht, war der Himmel blau und die Sonne kam zum Vorschein. Das erhellte nach dem stürmischen Start unser Gemüt ganz besonders. Vom Semmering weg bis wir in die Dunkelheit eintauchten empfand ich das Wetter als beinahe ideal fürs Radfahren, auch wenn es mit 10 bis 15 Grad Celsius nicht besonders warm war. Oben beim Wastl am Wald (Km 252) hat es zu dämmern begonnen. Wir haben schnell alles angezogen, was wir mitgehabt haben, um die Abfahrt noch bei Tageslicht genießen zu können. Ab nun an fuhren wir mit voller Beleuchtung.
Vor Wieselburg (Km 292) haben wir um 10 vor Geschäftsschluss eine Tankstellenshop gefunden, wo wir unsere Nahrungs- und Trinkvorräte aufgefüllt haben. Der eigentliche Kontrollpunkt war ein 24h-Automaten-Shop bei einer Automatentankstelle, wo ich mir das erste Cola herausgedrückt habe. Ein Kassabon sollte als Kontrollpunkt-Nachweis herangezogen werden, doch dieser Automaten konnte keinen Bon ausspucken. Daher haben wir wie beim Wastl am Wald nur einen händischen Eintrag (Zeit und Kilometerstand) ins Stempelbuch und ein Foto gemacht.
In St. Valentin war als Kontrollpunkt (Km 351) eine 24h-Tankstelle mit Shop geplant. Obwohl wir von dort weg nicht mehr weit bis zur Unterkunft gehabt haben, habe ich mir ein warmes Panini gekauft, um es beim Weiterfahren langsam und gemütlich zu verspeisen. Verschlingen war unmöglich, weil mein Körper sich langsam auf den wohl verdienten Schlaf eingestellt hat. Mein Puls war tiefer als gewöhnlich und ich war froh, mit Manfred quatschen zu können. Wäre ich alleine unterwegs gewesen, hatte ich mir ein trockenes Plätzchen gesucht und mich in einem Schlafsack verkrochen. Schlafsack hat natürlich bei dieser Ausfahrt niemand dabei gehabt, weil Benjamin Brodesser so lieb war, uns für ein paar Stunden ein Bettchen in einem beheizten Haus zur Verfügung zu stellen. Seine Mutter hat uns einen Reisauflauf bereit gestellt, der uns hungrigen Radlern vorzüglich gemundet hat. Danke noch einmal an dieser Stelle für Kost und Logis!
Am nächsten Tag ging es dann mit getrockneten Sachen raus in den Regen und weiter bis zum Schloss Traun für das Abschlussfoto. Von dort weg sind wir nur noch nach Haid gefahren, um das Stempelheftchen abzugeben. Dort warteten auf uns 2 bis 3 Teller Spaghetti, Kaffee, Tee und Bier, welche in den 25€ Startgelt enthalten waren.
Es gab einige Fleche-TeilnehmerInnen, welche aufgrund des Regens am Sonntagvormittag nicht mit dem Rad von Haid nach Wien zurück gefahren, sondern auf den Zug umgestiegen sind.
Am Schluss möchte ich mich noch einmal bei meinem Team bedanken, mit dem dieser Ausflug zu einem unvergesslich schönen Erlebnis geworden ist. Dies war der erste Fleche, der in Österreich stattgefunden hat, obwohl es diese Art von Veranstaltung seit 1947 rund um den Globus gibt. Wenn sich jemand angesprochen fühlt, dann bitte auf der Homepage von Randonneurs Autriche nachlesen und einen von uns bei der nächsten CTT-Veranstaltung anquatschen 🙂
https://randonneurs-austria.at/fleche-autriche-22-05-2021