Heute, knapp 3 Tage später kann ich mich endlich aufraffen mein erlebtes in Worte zu fassen – nicht etwa weil zu faul bin oder es mir an Eindrücken fehlt, sondern schlicht weil ich erst jetzt physisch und psychisch wieder halbwegs auf dem Damm bin! Ja, es war definitiv das Fordernste was ich mir selbst je angetan habe – da war die Zeit auf der Militärakademie ein Kindergartenausflug!
Der Bericht wird etwas länger – also ruhig etwas zum Knabbern und ein kühles Getränk holen…
Wie alles begann ist schnell durch: als wir 2018 das CTT gründeten war das 1. RAN gerade im Werden und wir nahmen uns gleich einmal locker flockig vor, dort mit einem Team teilzunehmen. Nicht gelungen – und es war gut so, denn es war ein Regenbewerb (aus meiner heutigen Sicht aus ein doppelter absoluter Horror!)! Aber: der Samen war in meinem Kopf gesät und als die ersten Meldungen über die ‚Early Bird Anmeldung‘ für 2020 im Netz waren schoss das Pflänzchen des Wagemutes heraus und ich war angemeldet…wirklich nichts ahnend was mich erwartet – außer ein großes Abenteuer, eine riesige Herausforderung.
Dann kam aber vieles anders: der 1. Mai 2020 kam und verging, aber das RAN wurde nicht gestartet. Nein, es wurde auf den 18. September verschoben wegen – na? eh klar: CORONA! Was mich zum ersten Mal in die Bredouille brachte, da mein bisheriges Unterstützungsteam (Matthias Schmidt und Florian Vogler) just an diesem neuen Termin beim KOTL starten bzw. heiraten wollten – also ehrlich, wie kann man nur so egoistisch sein!! 😉 Zum Glück boten sich zwar mehrere Mitstreiter an letztlich blieben aber ’nur‘ meine Sabine und der Michael Fostel als Team im Pace-Car übrig. Geplant wären von mir 3 gewesen, denn die ganze Zeit im Auto mit diversen Aufgaben stellte ich mir ganz und gar nicht als Honiglecken vor (by the way: war es auch definitiv nicht!). Aber eines vorneweg: die 2 haben einen extrem tollen Job gemacht und ich hatte keine Minute (außer eine vielleicht – aber das erzähl ich vielleicht mal live…) das Gefühl, dass die nicht alles für mich da hinten managen! Ich denke, dass auf den ‚Pokalen‘ auch das Team namentlich erwähnt werden sollte denn das ist auch ein Knochenjob.
Okay…wir sind dann mal beim Start in Weitra: Wie war der Plan? Ich hatte 2 Räder mit: mein leichtes Canyon Ultimate für die Strecke Weitra-Retz, das Zeitfahrrad von Retz bis an den Fuß des Semmering – und dann wieder der Wechsel auf das Ultimate. Wie sich herausstellte war der Plan zumindest mal ned schlecht.
Weitra, Start um 18:24. Endlich konnte es losgehen! Die Zeit bis dahin war geprägt von Zettelwirtschaft, Autobeklebung, Räder-Check, Fotos, Nahrungsaufnahme, letzte Entspannung, Plaudereien mit anderen Startern/Teams und dem ‚richtigen‘ Einräumen des Autos. Jeder Teilnehmer wurde einzeln auf die Bühne geschickt, ein Moderator unterhielt sich mit einem – aber eigentlich war man geistig schon unterwegs…dann der Countdown…und es war unumgänglich: es ging los!
Bis Gmünd ein paar kleine Orientierungshoppalas, eine lange rote Ampel, eine gefährliche Stopp-Tafel (ja, es gab Penalties wenn man dort nicht zumindest einen Fuß auf den Boden stellte!), aber nach und nach hatte ich das Gefühl, dass es lief. Wir kamen gut voran, die Temperaturen waren sehr pomale (Gott sei Dank hatte ich warmes CTT-Gewand en masse mit – ich sollte noch fast alles brauchen). Dann die ersten Überholmanöver – welche strikt im Ablauf vorgegeben sind – und ich merkte gleich, dass diese verdammt anstrengend waren. Man fährt zwar mit etwas höherer Geschwindigkeit auf, aber beim Überholen stieg scheinbar immer wieder bissl der Ehrgeiz des Überholten!
Zur Strecke bis Retz sag ich nix: wir können sie gerne einmal nachfahren – die hat Höhenmeter ohne Ende, ein ständiges Auf und Ab. Ich war wahrscheinlich auf diesem Streckenabschnitt zu schnell unterwegs, denn ich legte laut Strava auf einem ca. 44 km langen Teilstück die 2. bzw. 3. beste Zeit jemals hin – daher war es auch kein Wunder, dass mich der Christoph Strasser erst nach gut 3 Stunden Fahrtzeit überholte – bist du deppert, war der schnell!
In Retz dann der geplante Radwechsel und ich musste mich warm anziehen (ich glaube ich zog mir da schon zu wenig an). Es kühlte in dieser Nacht auf bis zu 4 Grad im Bereich Semmering und auf dem Weg dorthin auf 5-6 Grad ab!…ka Gaude und extrem energiefressend! Mit der Scheibe hinten dran ging’s dann Richtung Marchfeld. Zu dem Abschnitt will ich mich nicht äußern – ich werde dort mein Lebtag nicht mehr radeln! Nacht, leichter Gegenwind, leichtes Auf und Ab, Dunkelheit außerhalb der Ortschaften, Tristesse in den Ortschaften! Du hast niemand vor dir, du willst auch nicht mit dem Team plaudern…du versuchst einfach diesen stoischen Rhythmus zu behalten und den Wahnsinn hinter dich zu bringen. Dunkelheit kilometerlang, nur die blinkenden Signallichter der Windräder welche dich wieder einmal erinnern: ja, Blödmann…du hast Gegenwind! Dann kam es aber dazu, dass meine Magenprobleme (welche mir und etlichen anderen schon von Kaindorf bekannt sind) wieder akut wurden. Tausend Gedanken: war es das essen vorher, ist es eine Überlastung, reagiert mein Magen einfach auf diese Mischung aus Müdigkeit, Kälte, Anstrengung? Keine Antwort – so oft ich mir die Frage auch selbst stellte. Dann mein erster Notstopp zum Übergeben – ich konnte die Balance zwischen Belastung und Reflux nicht mehr halten – im wahrsten Sinn des Wortes. Hinten im Auto spürte ich leichtes Entsetzen über das…nach ein paar Minuten nahm ich aber wieder Fahrt auf und wir vereinbarten einen ersten Stopp mit ein paar Minuten (Mützel)Pause.
Solche Pausen musste ich dann immer wieder machen – es war eine Mischung aus Konzentrations-, Magen- und Motivationsproblemen. Das einzige was zuverlässig funktionierte war noch immer dieser stoische Tretrhythmus – ich weiß nun, wenn ich einmal am Rad einschlafe fahr ich sicher noch ein paar Kilometer weiter weil die Haxen einfach weitermachen – schon witzig auch.
Okay, über den Weg von Hainburg über Bruck an der Leitha und Wiener Neustadt nach Neunkirchen verlier ich nur wenige Worte – öde, immer gerade aus, kaum Abwechslung, die Müdigkeit immer härter spürend und die Neunkirchner Allee maximal ein Traum für blinde Radler ohne sehenden Partner! Immerhin, die Sonne kam raus und es wurde wärmer (5 Grad +). Ich deutete an, kurz vor Schottwien eine Rast zu benötigen – ein Radwechsel war ja sowieso geplant. Aus kurz wurde etwas länger und ganz ehrlich: am liebsten wäre ich nicht mehr aus dem Auto raus! Mir ging es wirklich nicht gut und ich spielte schon diverse Situationen wie es nun weitergehen wird im Kopf durch. Dann – beim Losfahren – das Schreckliche: ich musste mich wieder mehrfach übergeben obwohl ich mittlerweile kaum mehr Verpflegung zu mir nehmen konnte (Parallele zu Kaindorf). Sabine schien extrem bestürzt und meinte, dass ich unbedingt absteigen sollte – mit einem Mal keimte in mir aber der unbändige Kampfgeist auf diesen Semmering jetzt anzugehen und mein Bestes bis hinauf zum Panhans zu geben…denn dort wartetet ein ORF-Team und ein Frühstück! Gesagt, getan: ich fuhr da wirklich in flüssigem Stil rauf, obwohl die bis zu 12 Steigungsprozente nach Maria Schutz und der immer stärker werdende Gegenwind schon ordentlich zehrten. Oben dann ein Interview, ein Stück Kuchen und schon machte ich mich auf die Abfahrt (natürlich mit mörder Gegensteigungshöhenmeter) Richtung Payerbach/Höllental.
Die vielen Höhenmeter im Höllental, Kalte Kuchl, Ochsensattel und Gscheid brauche ich nicht zu kommentieren – die kennen wir alle, aber eben nicht wenn man schon 15 Stunden und hunderte Kilometer in den Beinen hat…jeder Anstieg wurde zur kleinen Tragödie. Irgendwo zwischen Scheibbs und Nebraska brauchte ich wieder ein Pauserl und abermals musste ich ein Platzerl suchen wo ich alles von mir geben konnte – mein Körper war leer, mein Kopf war leer! Ich wollte zu diesem Zeitpunkt nur mehr eines: Aufgeben…Aufhören! Michael trat nun in Aktion und motivierte mich dem Ganzen noch eine Chance zu geben. Er beobachtete, dass ich immer dann die größten Probleme hatte wenn ich feste Nahrung zu mir nahm. Einen Versuch ausschließlich mit flüssiger Nahrung, Schluck für Schluck, schien auch mir als Hoffnungsschimmer und ich nahm wieder einmal Fahrt auf.
In diesem Modus schien die Rechnung halbwegs aufzugehen – wir kamen halbwegs über Mariazell und den Wastl um dann über Wieselburg endlich den Donauübergang bei Ybbs zu erreichen. Dann eine Meldung von der Rennleitung, dass ich eigentlich einen Kontrollpunkt schon nicht mehr in meinem Zeitfenster erreichte und – wen sich der Trend so fortsetzen würde – ich da irgendwie mit der Wertung ein Problem haben könnte…oder so. Zugegeben: ich hab nur die Hälfte verstanden und dachte mir nur: sicher ned!! Laut Sabine und Michael hatte ich dann quasi ab Persenbeug eine Leistungsexplosion – mein Wille zu Finishen war endgültig erwacht und steuerte scheinbar direkt meine Oberschenkel an. Ich flog richtig (zumindest ich hatte dieses Gefühl) das Yspertal hinauf und konnte sogar den einen oder anderen Mitstreiter noch überholen! Der jugendliche Leichtsinn kostete mir dann aber wirklich den kompletten Rest meiner Energie und oben an der höchsten Stelle in Kleinpertenschlag war Schluss mit Action! Ich kann und will auch nicht beschreiben was in meinem Kopf vorging als sich vor, während, nach jeder noch so kleinen Ortschaft die Straße unerbittlich wieder nach oben zog! Nach jeder noch so kleinen Abfahrt kamen Anstiege ohne Ende – ich wusste nur, dass ich mit jedem ‚erledigten‘ Hügel (und mag er noch so weh getan haben) wieder ein kleines Stück dem Ziel näher kam – dem Ziel diese Tortur mit erhobenem Haupt zu beenden! Ich spürte förmlich die steigende Stimmung hinten im Pace-Car und die Anfeuerungsdurchsagen im Funk kamen nun immer öfters – ein Zeichen für mich, dass wir es schaffen!
Nach einem letzten Halt bei dem ich mir wieder warme Bekleidung anziehen musste und wir das Licht wieder montierten warteten nur noch ein paar lächerliche Kilometer auf das ‚Cycle Team Tulln‘ und in wirklich extrem langsamer Fahrt erreichten wir Weitra! Das Ziel schon kurz vor Augen konnte ich schon etliche Kilometer vorher kein Tempo mehr aufbauen – zu sehr ausgelaugt war mein Körper. Aber jetzt war rollen erlaubt – von der Ortstafel zum Kreisverkehr, wo offiziell das Ende gemessen wurde und man einen kurzen Halt machte bevor es zurück auf Bühne ging, wo wir 25 Stunden zuvor loslegten.
Sabine und Michael mussten sich unten an der Bühne hinstellen und ich durfte über eine Rampe rauffahren um dort noch ein paar Worte mit dem Moderator zu wechseln. Dabei spielten sie einen Song den ich mir zuvor wünschen konnte: ich entschied mich für Zucchero – Devil in me! Als hätte ich schon 2019 geahnt, dass mich der Teufel geritten hat bei der Anmeldung und mir ein stetiger Begleiter war auf meinen insgesamt 607 km!
Den Rest kürze ich jetzt einfach ab: wir verpackten alles rasch, Sabine war fit genug noch heimzufahren. Viel habe ich von der Fahrt nicht mitbekommen – der Sandmann hatte unbarmherzig zugeschlagen. Sonntag dann regungslos am Sofa, Montag noch immer nicht ordentlich bei einander, erst der Dienstag zeigte einen ersten Hoffnungsschimmer, dass alles gut werden wird…und ich die Energie finde dies hier niederzuschreiben.
Mein Fazit: Nein Danke, never ever! Mein kurzer Ausflug in die Ultra-Szene ist beendet, das gilt auch für 24h-Bewerbe. Das Team hat über sich hinaus alles gegeben und war die Hoffnung noch so dunkel, sie blieben zuversichtlich! Einen riesigen Dank an dieser Stelle für die zwei! Ich möchte es zwar niemanden ausreden so etwas einmal zu wagen und werde auch gerne meine Erfahrungen weitergeben – aber überlegt es euch wirklich 2x (oder öfters) – es ist wirklich hart. Möchte aber auch keinen ‚Traum‘ zerstören – man muss nur mit Vielem rechnen was einem beim ‚Normalradeln‘ nie unterkommt.
Da man ja immer mit etwas Positivem aufhören soll – bitteschön: wir sind von 45 gestarteten und 36 durchgekommenen Solo-Teams 20. geworden und bei der Österreichischen Meisterschaft im Ultra-Cycling wurden wir 7.! Das ist doch was für ein ‚erstes Mal‘, oder?
Der Slogan vom RAN „Der Schmerz vergeht, der Stolz bleibt“ stimmt schon ein wenig, was jedenfalls noch bleibt sind die ‚Hard-Facts‘: Brutto-Fahrzeit 25:03 Stunden, Netto-Fahrzeit 21:55 Stunden, gefahrenen Kilometer 607,5, Höhenmeter 6104, Netto-Schnitt 27,7 km/h…
Also – glaube es ist alles geschrieben und gelesen – und long live CTT!!